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Chartertörn im deutschen Osten - Lohnende Umwege
Die Binnengewässer in Brandenburg und Mecklenburg
werden in den Sommermonaten zum Treffpunkt tausender Skipper. Viele
davon kehren jedes Jahr zurück, um hier ihren Urlaub zu verbringen.
Wer das riesige Revier kennenlernen möchte, aber kein eigenes Boot
besitzt, sticht mit einem Charterschiff in See.
Das Angebot an Mietyachten lässt gerade in dieser Region kaum etwas zu wünschen übrig, denn zahlreiche Unternehmen der Branche haben im Verlauf der Havel und im Gebiet der Mecklenburgischen Seenplatte ihre Flottenstützpunkte eingerichtet. Immer beliebter wird offensichtlich die One-Way-Charter. So kommt man mit dem Schiff in einem abgesteckten Zeitraum von A nach B, ohne die Rückreise von B nach A antreten zu müssen. Um die Logistik, gemeint ist zum Beispiel die Überführung des Autos vom Ausgangs- zum Zielhafen, kümmern sich auf Wunsch die Charterfirmen. Unsere Ansprechpartner sind Wolfgang Heinzig und Wolfgang Weerts von Yacht Charter Heinzig. Wir buchen mit dem niederländischen Stahlkreuzer „Fafnir" ein neuwertiges Leihschiff, das erst vor wenigen Wochen in Dienst gestellt wurde.
Schwarzer Himmel, schwarzer Rumpf
Schwarz ist er, der gestreckte Rumpf unserer Charteryacht, mit der wir eine Woche lang die wunderschönen Gewässerlandschaften im deutschen Osten erkunden wollen. Schwarz ist aber auch der Himmel über dem brandenburgischen Töplitz, wo die 11,80 x 4,00 m messende Babro Classic 1150 XL auf die Übernahme wartet. Also beeilen wir uns mit dem Beladen der schmucken Yacht, die über ein Ambiente zum Wohlfühlen verfügt. Es gibt zwei Kabinen mit fünf festen Betten, eine Bedarfskoje im geschmackvoll möblierten Salon und zwei Nasszellen mit Dusche und elektrischem WC. Zum Bordinventar der Fafnir, die von einem fünfzylindrigen Volvo Penta D3-110 mit 81 kW angetrieben wird, gehört praktisch alles, was man während des Trips benötigen könnte. Das Equip-ment, über das der Kunde übrigens schon vor dem Reiseantritt anhand einer detaillierten Auflistung in Kenntnis gesetzt wird, reicht vom Fernglas bis zum Satelliten-TV, es beinhaltet gängige Küchenaccessoires, einen Werkzeugkoffer, den Erste-Hilfe-Kasten, eine Taschenlampe und das unverzichtbare Kartenmaterial. Selbstverständlich sind auch Rettungswesten, diverse Fender, ein Anker, der Bootshaken und jede Menge Leinen vorhanden. Überdies ist Aqua Sirius, ein mittlerweile auf allen Heinzig-Yachten zu findendes Navigationssystem, am Kommandostand auf dem Achterdeck installiert.
Über Potsdam nach Spandau
Grillparty mit Roland Kaiser
Morgens hat sich das miserable Wetter zwar nicht gänzlich geändert, zumindest ist es aber trocken, und ab und zu blinzelt sogar die Sonne hervor. Wir nehmen Kurs auf die berühmte Glienicker Brücke, um gleich danach die 1844 erbaute Heilandskirche Sacrow und die Pfaueninsel mit dem einstigen Lustschloss Friedrich Wilhelms II. zu passieren. Am Grunewald entlang, führt die Havel in nördlicher Richtung nach Spandau. Die dortige Schleusenkammer steht bereits offen, so dass es fast ohne Wartezeit über die Spandauer Havel und am Tegeler See vorbei auf den Niederneuendorfer See geht. Ein betonnter Zubringer stellt erneut die Verbindung zur Havel her, die uns nach Hennigsdorf und weiter bis Oranienburg geleitet. Die schmale Oranienburger Havel fließt direkt in den Ortskern, dessen Hauptattraktion das Barockschloss von 1651 ist. Wir machen die Fafnir am Gästesteg des „WSC Möwe Oranienburg e.V." unmittelbar vor der Slipprampe fest - der etwas unorthodoxe Liegeplatz hat den Vorteil, dass man bequem ein-und aussteigen kann. Abends feiern die netten Vereinsmitglieder eine Grillparty, dazu schallen aus der nahen Umgebung Roland-Kaiser-Hits herüber. Und siehe da - der beliebte Schlagersänger ist auf Tour und gibt gerade ein Open-Air-Konzert.
Stress in der Schleuse
Erster Wegpunkt des dritten Törntages wird der Lehnitzsee mit der angrenzenden Lehnitzschleuse. Als diese in Sicht kommt, ist kontrollierte Offensive angesagt, da die Kammer gerade geöffnet wird. Das nennt man Glück, denn nicht selten muss hier wegen des hohen Verkehrsaufkommens der Berufsschifffahrt eine lange Zwangspause in Kauf genommen werden. Ein in gebührendem Abstand folgender Freizeitkapitän, der die Situation anscheinend auch zu deuten weiß, sputet sich mächtig - der Sportsfreund verzichtet aber darauf, rechtzeitig vom Gas zu gehen. Der Schwell seines Spitzgatters ist so stark, dass ein Dutzend Boote in der Schleuse bedrohlich schaukeln, was zu Kopfschütteln, lautstarken Protesten und erhobenen Fäusten führt. Einige Meilen nach diesem unschönen Ereignis verlassen wir den tristen Oder-Havel-Kanal und biegen über Backbord in den Malzer Kanal ein. Nach der Schleuse Liebenwalde folgt ein ziemlich langweiliger Abschnitt. Über den Vosskanal nähern wir uns allmählich dem brandenburgischen Städtchen Zehdenick im Landkreis Oberhavel. Zehdenick wurde bereits im Jahre 1216 urkundlich erwähnt. Anno 1887, beim Bau der Eisenbahnstrecke von Löwenberg nach Templin, stieß man auf riesige Tonvorkommen, so dass sich die umliegende Region in der Folgezeit zu einem der größten Ziegeleireviere Europas entwickelte. Unweit von Zehdenick gibt es heute einen Museumspark und die Marina Mildenberg, die beim I Vorbeifahren einen derart adretten Eindruck macht, dass wirl spontan beschließen, umzudrehen und hier zu übernachten. Die von der Familie Arlt geführte, pieksaubere Anlage bietet! dem durchreisenden Skipper gute Versorgungsmöglichkeiten. Obendrein gibt es auf dem Gelände ein hübsches kleines Hafenrestaurant mit einem Biergarten unter alten Bäumen.
Templiner Gewässer
Besuch in Lychen
Tag fünf beginnt mit der Rückfahrt auf die Havel, auf der nacheinander die Schleusen Schorfheide, Zaaren, Regow und Bredereiche unter den Kiel genommen werden. Vom Stolpsee kommend, orientieren wir uns nach Osten, passieren die Schleuse von Himmelpfort und laufen über die schmale und kurvige Woblitz dem Großen Lychensee entgegen. Das Wahrzeichen des uckermärkischen 4000-EinwohnerOrtes Lychen ist die weithin sichtbare frühgotische Kirche St. Johannes, die wir bei einem kurzen Landgang in Augenschein nehmen. Doch entgegen der ursprünglichen Absicht, hier die heutige Etappe zu beenden, geht es auf gleichem Weg zurück. Mitten auf dem Stolpsee setzt ein heftiger Gewitterguss mit Blitz und Donner ein, und eine Stunde später, beim Durchschleusen nach Fürstenberg, schüttet es noch immer wie aus Kübeln. Kaum zu glauben, aber wahr - hier sind alle Liegeplätze besetzt, was uns zur zügigen Weiterfahrt zwingt. Der Schleusenwärter von Steinhavel wird per Handy informiert, dass wir unter Einhaltung des Tempolimits im Anmarsch sind und unbedingt noch vor Toresschluss durch die Kammer müssen. Das gelingt auf den allerletzten Drücker, und nun ist der Weg frei nach Priepert. Wie nicht anders zu erwarten, ist die beliebte Marina rappelvoll. Der Hafenchef weist uns dennoch telefonisch einen Platz zu, an dem sich die wuchtige 38-Fuß-Yacht nur mit Mühe einparken lässt. Kurz darauf lernen wir Horst Krogmann persönlich kennen. Der 53-jährige ist wahrscheinlich der zu¬vorkommendste Yachthafen-Betreiber Deutschlands: Da das Marina-Restaurant um 21.30 Uhr bereits geschlossen ist, bringt er uns, als wenn es selbstverständlich wäre, ofenwarme, knusprige Brötchen an Bord.
Rheinsberger Gewässer
Ansturm der Tagesausflügler
Dicker Baum
Nun liegt der letzte Tag an Bord der Fafnir vor uns. Mit dem inzwischen liebgewonnenen schwimmenden Domizil müssen wir - wie mit Siegbert Schroeder, dem Kooperationspartner der Firma Yacht Charter Heinzig vereinbart - am Abend in Plau am See einlaufen. Die Fahrrinne zur Kleinen Müritz wird angesteuert, dann haben wir den größten rein deutschen Binnensee vor dem Bug. Ordentliche Wellen vermitteln den Eindruck, ein Küstengewässer zu befahren. Zwischen den Untiefen Rodenberg und Rosenberg hindurch, halten wir in nordwestlicher Richtung auf die Tonne Müritz Mitte zu. Dicker Baum heißt das nächste in leuchtendem Rot lackierte Seezeichen, das den Freizeitkapitänen den Weg nach Waren weisen soll. Nach einer Verschnaufpause im Stadthafen des pittoresken Luftkurortes geht es auf Westkurs in den Reekkanal und weiter über den Kölpinsee, von dem der malerisch gelegene Jabelsche See abzweigt. Diesen lassen wir an Steuerbord liegen und gelangen so auf den Fleesensee, der sich nach fünf Kilometern verjüngt und in den Malchower See übergeht. Beim Durchfahren der Malchower Drehbrücke kann man dazu beitragen, das Stadtsäckel zu füllen - mit dem Kescher wird ein freiwilliges Brückengeld eingesammelt, das der Erhaltung des Bauwerks zugute kommt. Nur noch eine Stunde ist es bis zum Zielhafen, so dass es jetzt Zeit wird, die vergangene Woche Revue passieren zu lassen. Wir haben überall nette Leute kennengelernt und mit den Templiner, Lychener und Rheinsberger Gewässern etwas abseits gelegene Reviere entdeckt, die wegen ihrer einzigartigen Idylle bestimmt zu den Highlights der beschaulichen ostdeutschen Gewässerlandschaften zu zählen sind.
Skipper-Infos
Die für motorbetriebene Wasserfahrzeuge frei gegebenen
Binnengewässer in Brandenburg und Mecklenburg sind mit wenigen Ausnahmen
ideal zum entspannten Wasserwandem geeignet. Für den vorab
beschriebenen Tom von Töplitz über Potsdam, Oranienburg, Mildenberg bei
Zehdenick, Templin, Lychen, Rheinsberg, Priepert, Rechlin und Waren bis
nach Plau am See sollte man mindestens sieben, nach Möglichkeit aber
zehn bis vierzehn Reisetage einplanen, Mehrere Charteryacht-Anbieter
haben leicht zu handhabende, zumeist komplett ausgerüstete Schiffe im
Programm, die auf einigen Strecken auch mit dem sogenannten
„Charterschein" bewegt werden dürfen, Grundsätzlich ist es jedoch von
Vorteil, wenn sich mindestens ein Crewmitglied mit amtlichem
Befähigungsnachweis in Form des Sportbootführerscheines „Binnen" an Bord
befindet.
Unsere Charteryacht, eine neuwertige Babro Classic 1150 XL, lieferte die Firma Yacht Charter Heinzig, Ringstr, 31, 26689 Apen, Tel.: 04489-6500, vvww.heinzig.de
Kooperationspartner in Plau am See ist die Firma Yachtcharter
Schroeder, Buchenweg 9, 04683 Belgershain, Tel.:
034293-32854,www.yachtcharter-schroeder.de
Detaillierte Infos über die Leihschiff-Flotte von Yacht Charter Heinzig mit den geltenden Mietkonditionen, Preisen und einem Belegungsplan finden Sie im Internet unter www.heinzig.de
Rechtzeitig vor Antritt des Törns sollte man genaue Erkundigungen über die Reiseroute und lohnende Ausflugsziele an Land einholen. Entsprechende Revierführer, die beispielsweise über Gasthäfen, Wasserwanderrastplätze, empfehlenswerte Ankerbuchten, Öffnungszeiten der Schleusen, Bunkermöglichkeiten und Geschwindigkeitsbeschränkungen Auskunft geben, sind im Buchhandel erhältlich, Das unverzichtbare Kartenmaterial wird in der Regel von der jeweiligen Charterfirma zur Verfügung gestellt.
Quelle:Skipper
Text und Fotos: Peter Marienfeld