Törn durch Preußens Gloria mit dem Charterboot
Ein tolles Stück Berliner Spree: Die markante Oberbaumbrücke verbindet die Stadtteile Kreuzberg und Friedrichshain.
Dichter dran geht nicht: eine Woche mit dem Charterboot in Potsdam und Berlin.
Auf dem westlichen Teil des Berliner Autobahnringes überspannt die A
10 mit einer Brücke den Kleinen Zernsee, Teil einer Seenkette, die
hier von der Havel gebildet wird. Wohl jeder Autofahrer gönnt sich an
dieser Stelle einen Blick auf die malerischen Gewässer: „Hier müsste
man mal mit dem Boot rumfahren", haben auch wir schon oft gedacht und
jetzt endlich in die Tat umgesetzt. Fast unterhalb der Brücke, nur knapp
zwei Kilometer jenseits der Abfahrt Leest, liegt der kleine Ort
Töplitz mit dem Yachthafen Ringel. Hier hat Yachtcharter Heinzig einen
Stützpunkt, und hier ist auch unser Charterboot, die "Kalimera", eine Gruno 30 Classic, zu Hause. Potsdam und Berlin
stehen auf dem Programm, Ziele, die von hier aus ideal in einem
Wochentörn ohne großen Dauerfahr-Stress erreichbar sind. Genau richtig,
um preußischberlinerische Sehenswürdigkeiten vom Wasser aus zu
besuchen oder zu besichtigen. Auf der „Potsdamer Havel", so der
offizielle Name, der rund 30 km langen Bundeswasserstraße, fahren wir
Kurs Süd durch den Großen Zernsee. Mittendrin liegt das Städtchen Werder
auf einer Insel. Die Heilig-Geist-Kirche und eine hinter den Bäumen
vorlugende Windmühle laden zum Besuch ein. „Porta Sophia" heißt die
Marina, in der wir festmachen. Liegeplatz, Wasser- und Stromanschluss
sind selbstverständlich, gute Sanitärräume gibt es im Kellergeschoss
eines Neubaus am Marina-Eingang. Von hier bis in die „City" von Werder,
das mit seiner Umgebung von alters her als Obstanbaugebiet bekannt
ist, sind es nur wenige Minuten Fußweg. Viele Gebäude sind renoviert und
bieten mit den schmalen, kopfsteingepflasterten Straßen eine Menge
idyllische Anblicke. Neben dem Obst hat der fischreiche Zernsee zum
Wohle der Bevölkerung beigetragen, und noch heute gibt es auf der
„Wasserseite" der Stadt mehrere Gaststätten, bei denen Fisch ganz oben
auf der Karte steht. Eine davon ist „Arielle", eine charmante
Kombination aus Räucherbude, Bistro und Biergarten. Wer will, kann hier
mit dem Charterboot zum Essen festmachen und neben
den Fischgerichten den „ Werderaner Wachtelberg", einen Müller-Thurgau
aus der „nördlichst gelegenen weingesetzlich erfassten Reblage der Welt"
genießen.
Die Ruhe am Glindowsee mit einem Charterboot geniessen
Molecule Man, Oberbaumbrücke und Fernsehturm am Alex
Nur
einen Kilometer südlich von Werder geht es durch einen schmalen
Durchlass unter der ehrwürdigen B 1 hindurch in den Glindowsee, der eine
fast unwirklich anmutende Ruhe, ja Abgeschiedenheit ausstrahlt. Dichte
Wälder, Felder und Gärten säumen das Ufer. Die erlaubten 8 km/h
erscheinen einem noch zu schnell. So tuckern wir mit dem
Charterboot
ganz langsam eine große Besichtigungsrunde. Auf Gegenkurs holt uns die
Wirklichkeit allerdings ein: Eine unübersehbare, meterhohe
Leuchtreklame eines amerikanischen Frikadellenbraters zeigt, dass
hinter der grünen Kulisse das normale Leben tobt. Nachdem wir
Baumgartenbrück passiert haben, geht es auf direktem Weg über das
Nordende des Schwielowsees Richtung Caputh, malerisch an einer Engstelle
der Havel gelegen. Caputh ist nicht nur ein hübscher Ausflugsort,
sondern auch die heimliche Hauptstadt der Fischreiher. Hier an der
Verengung der Havel sind besonders viele Stellnetze ausgebracht, und
der Tisch scheint reich gedeckt. Auf jedem Pfahl hockt ein Reiher, und
es ist schwer vorzustellen, dass diese Vögel schon fast ausgerottet
waren. Die Aufmerksamkeit des Skippers ist wegen der vielen Netze und
wegen der Seilfähre, die den schmalen Sund kreuzt und schwer einsehbar
ist, ein wenig gefordert. Prominentester Wochenendbürger von Caputh war
Albert Einstein, der sich vom For-schungsstress beim Segeln auf dem
Templiner See erholte. Sein Sommerhaus am Waldrand hoch über dem Ort
wurde anlässlich des Einstein-Jahres 2005 renoviert und ist für einige
Stunden am Wochenende zu besichtigen. Leider gibt es in Caputh keine
Anlegemöglichkeit für ein kurzes Sightseeing. Caputh im Rücken, steuert
das Charterboot „Kalimera" nun auf Brandenburgs Hauptstadt Potsdam zu.
Die Silhouette der Stadt ist vom Wasser aus wenig markant, und wir
beschließen, die Stadt auf dem Rückweg mit Charterboot zu besuchen: bei
einem Mittagsstopp im Yachthafen Potsdam, den Armin Burchardi nach der
Wende mit allem Zipp und Zapp ausgestattet hat. Besonderer Tipp für
diesen Platz: Ein privater Autovermieter bietet für den Landausflug
Leihwagen ab Marina an. Wer darauf verzichten will, ist aber auch in
wenigen Minuten an der Straßenbahn-Haltestelle Richtung Zentrum.
Will Potsdam keine Gäste?
Oberhalb der Mühlendammschleuse liegt im abzweigenden Spreekanal der reizvollste innerstädtische Liegeplatz für Charterboote
Ein
gut betonntes Fahrwasser führt weiter auf die Stadt zu. Dort, wo man
gerne einmal für kurze Zeit halten würde, ist alles für die „weiße
Flotte" reserviert. Auch die in den Karten angegebenen Tagesliegeplätze
hinter der Bahnbrücke kurz vor der „Neuen Fahrt" sind zu Gunsten der
Ausflugsschiffe aufgehoben. Schade, die Landeshauptstadt hat
offensichtlich den Charterboot-Touristen nicht auf der Rechnung. Nach
der engen „Neuen Fahrt" erreichen wir den „Tiefen See". An seinem
Nordufer liegt die Berliner Vorstadt, heute ein bevorzugtes Wohnquartier
großer und weniger großer Promis. Gegenüber, am Südufer, der Stadtteil
Babelsberg, dessen Filmstudios ihn über Deutschland hinaus bekannt
gemacht haben. Am Nordende des Tiefen Sees endet die Potsdamer Havel in
der Glienicker Lake, und wir bewegen uns auf der Grenze zwischen dem
Land
Brandenburg und Berlin, dokumentiert durch die
berühmte Glienicker Brücke in deren Mitte Ost und West aneinander
stießen. Die Brücke durften nur Alliierte und Diplomaten passieren, und
zu Zeiten des Kalten Krieges wurden hier hochkarätige Spione
ausgetauscht. Wenige hundert Meter ostwärts beginnt km 0,0 des
Teltowkanals, dessen 100-jähriges Jubiläum letztes Jahr gefeiert wurde.
Noch bis in die 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts spielte der
Transport von Baumaterial, Kohle, Holz, aber auch von Lebensmitteln,
auf dem Wasserweg für Berlin eine ganz wesentliche Rolle. „Berlin ist
aus dem Kahn gebaut", so hieß es jahrzehntelang. Da war die Spree als
Hauptwasserstraße permanent überlastet, und Wartezeiten an der
Mühlendammschleuse von über zwei Wochen sind dokumentiert. Um den
Infarkt in Berlin-Mitte zu mildern, wurde zunächst 1850 der
Landwehrkanal gebaut und dann 1906 der 38 km lange Teltowkanal als
großräumige südliche Umgehung. Er verbindet Südwest-Berlin/Potsdam und
Südost-Berlin/Köpenick direkt und schafft eine gradlinige Verbindung
von der Elbe zur Oder. Mit der Einfahrt in den Teltowkanal, der am
Anfang zunächst vom lang gezogenen Griebnitzsee gebildet wird,
erreichen wir eine zeitgeschichtlich hochinteressante Gegend: Die
schöne Landschaft hat auch dem preußischen Hochadel gefallen. So ließ
sich hier noch als Prinz der spätere Kaiser Wilhelm I. das Schloss
Babelsberg als Sommersitz im Burgenstil bauen. Als Besonderheit wurde
der großartige Landschaftspark von Fürst Hermann von Pückler-Muskau
angelegt, der es inzwischen zum Welterbe gebracht hat. Um den Park
ausreichend bewässern zu können (und nebenbei noch Fontänen bis zu 40 m
Höhe druckreich zu versorgen), wurde am Ufer das markante Wasserwerk im
maurischen Stil errichtet. Zu Zeiten der Mauer lag es direkt an der
Grenze, der Turm diente den Wachtruppen als Ausguck. Auf der anderen
Kanalseite ließ sich schon im 17. Jahrhundert der Große Kurfürst das
Jagdschloss Glienicke bauen, das haarscharf noch auf Berliner Gebiet
liegt. Die einst unüberwindliche Grenze verlief mal nördlich, mal
südlich des Kanals und ist heute nur noch für Kenner sichtbar. Die
Erinnerung an die Verhältnisse während des Kalten Krieges löst heute
noch leichte Schauer aus. Man ist ganz dicht dran an der
Ost-West-Geschichte, denn man passiert am Südufer die alten Villen, in
denen 1945 die alliierten Verhandlungsführer residierten: Stalin in der
Villa Herpich, Churchill und Attlee in der Villa Urbig und Truman in der
Villa Müller-Grote. Verhandelt wurde im Schloss Cäcilienhof in Potsdam,
das wir auf unserer Rückreise noch vom Wasser aus sehen werden. Bei km 3
zweigt der Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal, griffiger auch
„Griebnitzkanal" genannt, nach Norden Richtung Wannsee ab. Der Kanal
verbindet eine Reihe kleiner Seen mit dem Großen Wannsee und damit die
Havel. Von vornherein nur für den Ausflugsverkehr bestimmt, sind
Breite und Tiefe begrenzt. Auf jeden Fall ist an der Engstelle der
Einrichtungsverkehr zu beachten!
Schöner Wohnen an der Potsdamer Havel: Villa in Geltow
Waren
wir bisher überwiegend in Gesellschaft anderer Charter- oder
Ruderboote, so dominieren jetzt die Segler. In der Westbucht des
Wannsees reiht sich Hafen an Hafen. Viele laden Gastlieger mit dem
Symbol „Gelbe Welle" zum Bleiben ein. Die Gelbe Welle als Zeichen dafür,
dass Gastlieger willkommen sind, hat sich in den Berlin-Brandenburger
Gewässern flächendeckend durchgesetzt, sodass man spontan auf Platzsuche
gehen kann, ohne eine großartige Törnplanung zu machen. Dies gilt
allerdings nicht für den engeren Stadtbereich Berlins. Zwischen Spandau
im Westen und Stralau im Osten gibt es keine Marina, dafür ausgewiesene
„innerstädtische Liegeplätze" in zentralen Lagen, für 24 Stunden
nutzbar. Leider sagt die Gelbe Welle nichts über das Ausstattungsniveau
und die Größe der Liegeplätze aus. Oft sind diese so klein, dass das
„Willkommen" nur für Kanuten gedacht sein kann. Der beste Rat ist daher,
dicht an das Welle-Schild heranzufahren und die Symbole zu studieren,
die über Ausstattungsdetails informieren. Wir machen in einem der
größeren Häfen, der Marina Lanke, fest, im Süden Spandaus am Eingang der
Scharfen Lanke gelegen. In diesem Wassersportzentrum findet man so
ziemlich alle Dienstleistungen rund ums Charterboot, gastronomische
eingeschlossen. Nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist der zentrale
Sanitärbau. Da erwartet der serviceverwöhnte Skipper eines Charterboots
inzwischen mehr Komfort.
Törn durch Preußens Gloria Teil 2
Kurs aufs alte Spandau
Das Köpenicker Schloss ist heute ein Museum für Raum-Kunst
Nach
Berlin geht es zunächst einmal auf der Unteren Havel-Wasserstraße zu
Berg, obwohl annähernd strömungsfrei. Jetzt bewegen wir uns deutlich im
Umfeld der Berufsschifffahrt: Umschlagstellen, Liegeplätze mit blauen
Schildern kryptischen Inhalts, Bunkerboote, „Kurzparkzonen" für
Binnenschiffe zum Pkw-Absetzen (max. 15 min!), Spezialzonen für
Kabinenschiffe, die ihre Passagiere hier an Sightseeing-Busse abgeben.
Alles wohl geregelt und verwaltet, aber kein Premium-Platz für
Sportboote, um mal für ein Stündchen in die gar nicht einmal uncharmante
Altstadt Spandaus zu gehen. Als Spandau schon lange Stadt war, war
Berlin noch ein mückenreicher Sumpf, und der Raum bis Köpenick, die
nächste alte Stadt, war sumpfiges Land rechts und links der Spree und
so gut wie unbesiedelt. Wer Spandau besuchen will, muss an der Mündung
der Spree in die Havel (km 0,0 der Unteren Havel) den einzigen
Sportbootliegeplatz (24 h) auf der anderen Stadtseite nutzen und über
die Charlottenbrücke in die Stadt wandern. In der Spree, offiziell
„Spree-Oder-Wasserstraße" (SOW), setzt sich der Industriecharakter erst
einmal fort. Dominant das „Kraftwerk Reuter", dessen
Wiederinbetriebnahme durch Berlins Bürgermeister Ernst Reuter am 1.
Dezember 1946, nach Demontage und trotz der Blockade West-Berlins,
gelang. Vor uns liegt die Schleuse Charlottenburg, die aus einer neuen
Kammer im Norden und einer alten im Süden besteht. Wenn der
Richtungspfeil „Sport" nicht lesbar ist, wird in der neuen Kammer
geschleust. Nach der Schleuse fahren Berufsschiffe auf dem
Westhafenkanal ostwärts und treffen erst wieder am neuen Hauptbahnhof
Berlins auf die SOW. Zwischen Westhafen und Humboldthafen dürfen
Sportboote nicht fahren, sodass sich Berufs- und Sportverkehr nicht in
die Quere kommen. Wir biegen nach Süden in die Spree ab und pirschen
unter den weit ausladenden Bäumen des Schlossparks in das Zentrum von
Charlottenburg, einem der schicken Stadtteile von ExWest-Berlin.
Zwischen Schloss- und Caprivibrücke ist das Anlegen für Sportboote am
südlichen Ufer für 24 Stunden erlaubt. Diese 24-h-Plätze machen eine
Bootstour durch Berlin erst wirklich zu einem Erlebnis. Mitten im
Wohnquartier, ruhig und doch zentral gelegen, bieten sich von diesen
Liegeplätzen aus alle Eroberungsvarianten, die die Hauptstadt zu bieten
hat. Da alle modernen Boote genügend Vorräte bunkern können, um
längere Zeit autark zu sein, kann man auf jede Infrastruktur am
Liegeplatz verzichten. Gäbe es diese Plätze nicht, wäre der Bootstrip
durch Berlin nur halb so reizvoll. Und einige mehr (Platz ist
vorhanden!) würden das Vergnügen noch steigern. Von unserem Platz in
Charlottenburg sind das Schloss mit seinen Kunstausstellungen, der
Luisenplatz mit zahlreichen Kneipen, der nächste Supermarkt und
Bushaltestellen in wenigen Minuten erreichbar. Also eine ideale Lage. Da
auf diesem Spreeabschnitt nur Ausflugsdampfer verkehren, ist auch
nachts das Liegen ruhig. Die Passage des Landwehrkanals ist Highlight
des nächsten Tages. Bei km 9,0 der SOW bilden Landwehrkanal,
Charlottenburger Verbindungskanal und SOW eine Kreuzung, von der es
nach Süden abgeht. Zunächst müssen wir aber unser „Cabrio-Dach"
einklappen, denn die Durchfahrtshöhe der Brücken beträgt nur 3,40 m und
bei Bogenbrücken auch nur in der Mitte (auf der SOW 4,20 m). Der
Landwehrkanal führt mitten durch die Stadt und berührt in unmittelbarer
Nähe zahlreiche bekannte Gebäude und Orte.
Durchfahrt ohne Wartezeit
Mit Spreeblick: Hier residiert das Bundesinnenministerium in Berlin
Nach
Unterquerung der Straße des 17. Juni, der breiten Berliner Prachtmeile
und zeitweisen Partyzone, passieren wir die Stadtbahnbrücke, um nach
kurzer Wartezeit in die Unterschleuse einzulaufen. Die sehr freundliche
(das gibt's wirklich) Schleusenwärterin sagt, wir hätten Glück, dass es
so zügig geht. Denn von den zahlreichen Voranmeldungen von
Ausflugsschiffen, die die Runde Spree -Landwehrkanal - Spree nach
Fahrplan absolvieren, sind zwei gestrichen worden. Die Wartezeit kann
sonst schon mal zwei l Stunden betragen, besonders I am frühen
Nachmittag. Dann geht es Schlag auf Schlag: Erst fahren wir noch ein
Stückchen durch den Zoo, von wo uns die Lamas leicht hochmütig
betrachten. Wir streifen Tiergarten und das historische
Botschaftenviertel, passieren CDU-Zentrale und Verteidigungsministerium,
Nationalgalerie, Philharmonie und Staatsbibliothek. So reizvoll die
Blicke nach rechts und links auch sind, man muss sehr aufmerksam
steuern. Entgegenkommende Personenschiffe, die die Brückenbreiten voll
nutzen, müssen rechtzeitig erkannt werden. Kommt dann ein Fahrzeug
entgegen, muss aufgestoppt oder sogar rückwärts gefahren werden.
Inzwischen geht die Prozession der Sehenswürdigkeiten weiter: das
Daimler-Chrysler-Gebäude und die modernen Gebäude rund um den Potsdamer
Platz. Ein paar Meter weiter geht der Blick nach oben, wo eine DC 3
scheinbar zum Start ansetzt. Der Flieger steht als auffälliger Blickfang
auf dem Dach des Technikmuseums, in dem es unter anderem eine
sehenswerte Abteilung zur Binnenschifffahrt gibt. Das Museum erreicht
man am besten mit der U-Bahn.
Idylle an der Havel bei Berlin: Lustschloss auf der Pfaueninsel
Den
feinen Bereich Tiergarten verlassen wir mit Erreichen der SPD-Zentrale
und der U-(Hoch-) Bahn-Station Hallesches Tor, direkt über dem
Kanalufer gelegen. Jetzt tuckern wir durch das kunterbunte Kreuzberg,
wo Biergärten und Liegewiesen das Ufer säumen. Am ehemaligen Urbanhafen
haben sich spärliche Reste alternativen Lebens auf dem Wasser erhalten.
Wer hier tiefer einsteigen will, findet einen 24-h-Platz, allerdings
mit Platz für nur zwei. Der weitere Verlauf ist weniger spektakulär.
Entlang des Maybachufers entfaltet sich an Markttagen reges Leben. Der
„Türkische Markt" ist weit über die Grenzen Kreuzbergs eine bekannte
Institution. Ungefähr bei km 9,5 zweigt der Neuköllner
Schifffahrtskanal nach Südosten ab, wo er nach rund vier Kilometern auf
den Teltowkanal trifft. Der Landwehrkanal verläuft nordwärts und ist
nach gut zehn Kilometern Länge über die Oberschleuse mit der Spree
verbunden, auf der wir Richtung Köpenick weiterfahren. Der Blick
flussabwärts bietet eines der interessantesten Berlin-Panoramen: Molecul
Man, die Riesenstatue, dahinter die bizarre Oberbaumbrücke und im
Hintergrund der Fernsehturm am Alexanderplatz. Voraus passieren wir den
Treptower Park mit zahlreichen Freizeiteinrichtungen und einem
24-h-Liegeplatz hinter der Insel der Jugend. Das Hauptfahrwasser ist so
breit, dass hier Wasserflugzeuge zu Rundflügen starten und landen. Auf
der Höhe von Schöneweide bietet sich eine ideale Gelegenheit, die
Bordvorräte aufzufüllen, denn der dortige Super- nebst Getränkemarkt
hat einen eigenen Anleger. Bequemer geht's nicht. In Köpenick machen wir
einen Abstecher auf der Müggelspree über den Müggelsee nach
Neu-Venedig, eine Datschen-Kolonie, die von einem feingliedrigen Netz
kleiner Wasserläufe durchzogen ist. Quasi auf dem Canal Grande dieses
Viertels fahren wir langsam durch das Idyll, vorbei an Alt-Helgoland,
einem bekannten Ausflugslokal, dem Ortszentrum mit Kirchlein und
Fischereibetrieb. Ausflüge in die Nebengewässer sind nur mit sehr
kleinen, flachgehenden Booten möglich. Zurück in Köpenick, machen wir
gegenüber der Schlossinsel vor dem Courtyard Hotel fest. Von hier ist
man in wenigen Minuten im Zentrum und hat eine große Auswahl an
Gaststätten.
Für uns ist hier der Wendepunkt, obwohl man von hier aus noch viele
Tage die Gewässer südöstlich von Berlin befahren könnte. Unser Ziel ist
jetzt Berlin-Mitte. Der ultimativbeste Liegeplatz (24 h) liegt im
Spreekanal, der kurz vor der Mühlendammschleuse abgeht. An den
Dauerliegeplätzen historischer Schiffe und Kähne (besichtigen!) geht's
vorbei. Noch zwei niedrige Brücken, und wir machen an dem Platz fest, wo
aus den ursprünglichen Orten Colin und Berlin die jetzige Weltstadt
geworden ist. Alle Sehenswürdigkeiten sind zu Fuß erreichbar. Wer es
bequemer haben möchte, steigt nur 100 m neben dem Liegeplatz in die
U-Bahn und kann mit einem 5,20-Euro-Tagesticket die ganze Stadt
bereisen. Ein weiterer Tipp: Überall findet man Fahrräder, die die Bahn
nach Minutentarif verleiht. Per Handy erfolgt die Freischaltung, und
die City tour per Rad kann losgehen. Am Ziel lässt man das Rad einfach
stehen und meldet es per Handy ab.
Monarchie und Moderne
Mit dem Charterboot zum Bundeskanzleramt in Berlin
Am
nächsten Tag steht das „Sahnestück" auf dem Programm: die Fahrt von der
Mühlendammschleuse spreeabwärts. Wie an einer Perlenkette aufgereiht,
liegen bedeutsame Gebäude am Fluss. Die Repräsentationsbauten der
Monarchie und der Demokratie vertragen sich erstaunlich gut und machen
200 Jahre Geschichte lebendig. Und der überraschende Wechsel von alt
und modern wirkt faszinierend auf die Besucher, die in großen Scharen
die Ausflugsschiffe entern. So ist die Schiffsdichte zwischen
Nikolaiviertel und Schloss Bellevue schon beachtlich, wobei die Herren
Kapitäne der Touridampfer immer so tun, als gehöre die Spree
ausschließlich ihnen.
Mitten in diesem Abschnitt gibt es an der Weidendammbrücke einen der
beliebten, aber fast immer belegten 24-h-Plät-ze. Das Regierungsviertel
mit Reichstag, Abgeordnetenhaus und Bundeskanzleramt, neuerdings
angereichert um den futuristischen Hauptbahnhof, ist das Highlight der
Etappe, ja Höhepunkt eines jeden Berlin-Törns. Der nächste 24-h-Platz
liegt am Bundesratufer, nicht weit von der S-Bahnstation Bellevue
entfernt und in der Nähe des Hansa-Viertels, einem städtebaulichen
Vorzeigeprojekt der 50er-Jahre, an dem die damalige Architektenelite
mitgewirkt hat.
Über Charlottenburg und Spandau arbeiten wir uns wieder auf Potsdam
zu, umfahren die Wannseeinsel diesmal aber auf der westlichen Seite
vorbei an der Pfaueninsel und erreichen mit dem Jungfernsee wieder
eines der bedeutenden Wasserstraßenkreuze im Großraum Berlin: Denn von
hier geht für die schnelle Reise nach Westen der Sacrow-Paretzer-Kanal
ab, nach Osten der Teltowkanal. Während am Nordufer die Heilandskirche
Sacrow einen fast strengen Akzent setzt, spitzt am Südufer das Schloss
Cäcilienhof aus dem baumreichen Park hervor. Cäcilienhof ist im Stil
englischer Landsitze errichtet und unterscheidet sich dadurch
fundamental von den berühmten Preußenschlössern wie Sanssouci oder
Charlottenhof.
Um diese zu besichtigen, empfehlen sich die Liegeplätze nördlich der
Eisenbahnbrücke in Potsdam. Landmarken sind zunächst die „Moschee" und
dann nach rechts mehrere Hochhäuser, vor denen ein großer Gästehafen
liegt. Von hier erreicht man die Brandenburgische Straße, Potsdams
Hauptstraße, das Holländische Viertel und die Straßenbahn in wenigen
Minuten.
Auf der Potsdamer Havel geht es Richtung Heimathafen. Am Nordende des
Schwielowsees fällt die strahlende Anlage des „Resort Schwielowsee" ins
Auge. Eine nigelnagelneue Ferienanlage im Stil der USA-Südstaaten mit
einem komfortablen Hafen, Restaurants und allem, was einen
High-Class-Urlaub angenehm macht. Da Töplitz „um die Ecke" liegt,
vielleicht ein anderes Mal.
Quelle: boote 09/2007
Text: Olaf Kleinelanghorst
Fotos: Harald Mertes, Olaf Kleinelanghorst